Seid transparent, seid nahbar und vertraut Euren Mitarbeitern. Im Ernst! Wenn wir ganz ehrlich mit uns selbst sind, sind wir als Chef sehr schlecht in der Abgabe von Kontrolle und Macht und damit Vertrauen in andere. Zu oft denken wir, wir hätten die Erfahrung und das Wissen. Wir wissen ja schließlich, was sich in der Vergangenheit bewährt hat und was nicht. Und wisst Ihr was? Vergesst das! Fuck experience! Denn was nützt uns Erfahrung, wenn der Referenzrahmen gefühlt sich alle 24h ändert?! Mitarbeiter wollen mitreden, mitdenken, mitbestimmen. Sie wollen Aufgaben diskutieren. Daher: vertraut auf Eure Mitarbeiter und setzt den Rahmen für einen solchen Austausch. Schafft Orientierung, warum es Euch als Agentur gibt, wofür steht Ihr, was Euer Selbstverständnis ist und auf welche Werte es im Austausch, im Miteinander bei Euch ankommt.
Genau so ist es. Denn ich glaube nicht mehr an Agentur-Networks. Ich glaube an ein anderes Netzwerk. Ein Netzwerk des menschlichen Miteinanders, das von Empathie und einem gemeinsamen Purpose getragen wird und bei dem die gemeinsamen Werte spürbar gelebt werden. Jeder bringt sich mit seinen Kräften so ein, wie es die Aufgabe erfordert. Und jeder ist mit hoher Leidenschaft bei der Aufgabe. So kommt man ins Handeln. Ins Machen. Ins Wirken. Ins Lernen. Ich nennen das #collectivegenius.
Das ist ganz einfach. Nach 20 Jahren digitale Produktentwicklung habe ich endlich verstanden, dass es mir nicht mehr ums Produkt geht, sondern um den Menschen. Auch wenn ich im Rahmen von AKQA, als GF, wie auch bei WPP absolut die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Menschen einzuwirken, war ich umzingelt von der Denke der ständigen Gewinnorientierung. Grundsätzlich nicht verkehrt, allerdings glaube ich werden Gewinne nicht durch Prozessoptimierung und Effizienzgestaltung geschaffen, sondern in dem man den Rahmen schafft, dem Potenzial jedes Einzelnen den vollen Raum zu geben. So machte ich den mutigen Schritt, den bekannten Weg zu verlassen, meine ‘Macht’ abzugeben und die ‚Kontrolle’ loszulassen, um mich auf den Weg zu machen, das Potenzial in Menschen zu entfachen und ‚den Menschen wieder sinnvoll mit seiner Arbeit und seinem Leben zu verbinden’
Ja, wer die Agenturform des letzten Jahrzehnts noch lebt, ist morgen tot. Hierarchien sind passe. Inflexible Abläufe sind nicht nur langwierig, sondern auch abgrenzend und teuer. Heute kommt es auf Geschwindigkeit, Kollaboration und Vorstellungskraft an. Der ultimative Differentiator ist ‘HUMAN’! Wenn alles rationalisiert, alles instrumentalisiert, alles automatisiert wird – programmatic halt , wenn wir der Industrialisierung von Intelligenz entgegengehen, kommt es doch gerade jetzt darauf an, den Künstler, den Entdecker, den Poeten, den Sänger in uns wieder zu erwecken. Oder? Ich setze auf ‚HUMAN’ und was es heißt, Human zu sein, beginnt mit innerer Arbeit und Selbsterkenntnis. Das ist harte Arbeit, die viele Chefs m.E. scheuen.
Gerade meine persönliche Vergangenheit und meine Erfahrung lässt mich nachempfinden, wie es den meisten Agenturchefs heutzutage geht – und das sagt eine Frau! Heute arbeite ich mit einigen Agenturen zusammen, und darf deren Herausforderungen erkennen, deren Bestreben, weiterhin relevant auf dem Markt zu sein, annehmen, um dann gemeinsam Lösungsansätze in den Bereichen Ordnungsstruktur, Kultur-Kommunikation, Markenbild und Leadership zu finden und zu entwickeln. Damit der Change durch eigene Kraft geschehen kann. So teile ich gerne meine Erfahrungen, meine Erkenntnisse jetzt aus der Beraterbrille mit, wie auch meine Einstellungen und Vorstellungen von Arbeit in Zukunft, welche Qualitäten und Methoden gerade die Führungspersönlichkeiten annehmen sollten und wie sie für sich ein wenig Druck aus dieser ganzen Komplexität herausnehmen können, um sinnhafte Veränderung zu erzeugen, oder zumindest Denkanreize zu schaffen.
Bitte schnell! New Work ist nicht nur eine Sache der Implementierung von neuen IT Infrastrukturen oder kollaborativen Tools, wie Google Docs. Es ist auch nicht das reine ‚wir-sitzen-jetzt-alle-in-Labs’ mittels Design Thinking Methoden und formulieren neue Ideen! Nein! New Work ist ein Mind-Set und bedingt einem Wandel im Leadership, in der Organisation inkl. Geschäftsmodelle, in der Kultur und Kommunikation, wie auch im Ausdruck der Marke nach außen. Um so mehr muss dieser Mind-Set Shift heute, also jetzt, passieren, um der Agentur weiterhin eine Relevanz im Markt zu schenken. Ich bin nach wie vor von der Kreativität und Schaffenskraft, die in unseren Agenturen vorherrscht, überzeugt und begeistert. Umso mehr betrachte ich es als Verpflichtung der Chefs, den Mitarbeitern ein produktiv glückliches Umfeld zu schaffen. Denn das, verspreche ich, wird den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg einer Agentur sein.
Danke für das Interview, Julia. Ich freue mich auf deine Teilnahme an den New Work AgenturCamps. Hans-Gerhard Kühn