Thomas Bausch: Am Anfang stand für uns die Frage, wie bringen wir „Digitale DNA“ ins Unternehmen? Wie schaffen wir es neue Arbeitsmethoden zu lernen, ohne klassische Projekte hierfür zu „missbrauchen“ und unnötig kompliziert zu machen. Das war für uns der Start unseres Programm-Managements. Da Agilität nur im richtigen Kontext Sinn macht bzw. nur bedingt in der Theorie vermittelt werden kann, haben wir mit unserem Programm-Management eigene Produktentwicklungen gestartet. Der Fokus lag dabei inoffiziell auf der Ausbildung der Mitarbeiter. Die Ergebnisse der Entwicklungsteams waren aber so gut, dass wir erste Produkte bereits verkaufen bzw. in Kundenprojekte einfließen lassen konnten.
Ein weiteres wichtiges Teilprojekt war die Findung der optimalen Organisationsstruktur. Du kannst viel über tolle neue Modelle in der Literatur lesen, aber keiner kann dir sagen, wie du persönlich für deine Organisation das Thema angehen sollst und ob zum Schluss das gewählte Modell auch passt. Wir hatten für uns den Anspruch, ein perfekt auf uns abgestimmtes Modell selbst zu entwickeln. Das Modell muss nur für netzwerk P funktionieren. Mit Hilfe unseres damaligen Dualen Studenten untersuchten wir fünf verschiedene Organisationsmodelle und prüften diese mit unseren 30 erarbeiteten Anforderungen an unser neues Modell. Heraus kam ein Mix aus diesen unterschiedlichen Modellen, der – wie wir meinen – perfekt für uns passt. Die Kreise und Rollen stammen z.B. aus der Holokratie.
Thomas Bausch: Nach knapp einem Jahr seit Start des Change befinden wir uns „auf dem Weg“. Wir sind zu Beginn von drei Phasen im Veränderungsprozess ausgegangen und bewegen uns jetzt in Phase 2. Alle ehemaligen Projekt-Units sind zusammengeführt und ehemals unterschiedliche Prozesse und Wordings vereinheitlicht. Die beiden Technikeinheiten sind ebenfalls vereinheitlicht und arbeiten ebenso standortübergreifend nach Projektthemen. Zuletzt gibt es noch das Office Management, in dem sich Office, Finanzen und IT versammeln. Auch wenn sich das jetzt anhört wie „Aus 9 mach 3 Units“, war dieser Zwischenschritt für uns wichtig. Du kannst ein Stab-Linien-Organigramm nicht von heute auf morgen in ein Rollen-/Kreismodell überführen. In den kommenden Monaten werden jetzt immer mehr Rollen definiert und der Transformationsprozess schreitet somit weiter fort.
Die Prozesse laufen aktuell schon meist parallel ganz gut. Immer mehr Kollegen schätzen die Wahl „agil“ oder „Wasserfall“ richtig ein. Kollegen, die hier noch unsicher sind, werden von einem der sog. Dispatcher (Rolle für fachlichen Support) unterstützt.
Was wir schnell gelernt haben ist, eine Organisation ohne klassisches Organigramm braucht mehr Führung. Die Führung wird von uns aber anders gelebt. Eigenverantwortung und Feedback spielen hier eine zentrale Rolle. Auch hier nehmen immer mehr Kollegen die neue Rolle gut an.
Jens Leven: Mehr Leidenschaft, mehr Ideen und ein viel vernetzteres Denken. Wir stellen unseren Kunden deutlich mehr Fragen, um auf den Kern des Problems zu kommen. Früher haben wir uns mehr als Abarbeiter einer vorgegebenen Lösung gesehen, heute gestalten wir die Lösungen mit. Wir wandeln uns von der Produktionsagentur hin zur Beratungsagentur. Einige Kunden hatten zu Beginn Angst, sie verlieren aufgrund unseres Ziels ihre festen Ansprechpartner. Diesen Schmerz konnten wir ihnen aber schnell nehmen. Es gibt natürlich weiterhin Hauptansprechpartner, die dann aber je nach Projekt mit verschiedenen Experten vernetzt den Kunden beraten.
Jens Leven: Ein Change-Prozess und eine kurzfristige Renditesteigerung schließen sich unseres Erachtens aus. 2018 war für uns ein Jahr des Umbruchs. Wir haben viel in Weiterentwicklung und Produktentwicklung investiert. Wir haben durch unsere Neuausrichtung aber viele Themen beim Kunden angestoßen bzw. neue Kunde gewinnen können, so dass wir gut gerüstet in die Zukunft blicken. Auch 2019 sehen wir noch als Investitionsjahr. Zum Glück haben wir Gesellschafter mit Weitblick, d. h. wir alle wissen um die Notwendigkeit der Weiterentwicklung unserer Dienstleistung und die damit verbundenen Mühen. Wenn du dich nicht selbst veränderst, wirst du verändert.
Thomas Bausch: Entscheidungen werden nicht mehr nur von den Führungskräften getroffen. Die jeweils Ergebnisverantwortlichen entscheiden für ihr Thema nach bestem Wissen und Gewissen. Hierarchische Unterschriftenregelungen o.ä. sind abgeschafft und bspw. durch ein 4-Augen-Prinzip ersetzt. Führung wandelt sich von direkter hin zu indirekter Führung. Ehemalige Führungskräfte haben gelernt, nicht jede Frage der Kollegen gleich zu beantworten, sondern sie zu einer eigenen Entscheidung zu ermutigen. Wir beschäftigen erwachsene, mündige Kollegen, die im privaten Umfeld z. B. selbst Eigentum kaufen. Und in vielen Unternehmen dürfen diese nicht einmal einen Bleistift bestellen – das ist für uns unvorstellbar.
Die Abschaffung von Titeln hat zu keinem gefühlten Statusverlust bei Kollegen geführt. Im Gegenteil, Kollegen erarbeiten sich jetzt durch ihr Wirken und Können Gehör im Unternehmen und nicht durch einen in der Vergangenheit verliehenen Titel.
Jens Leven: Wir leben nach dem Motto „you win or learn, but you never lose“. Natürlich gibt es täglich Rückschläge die wir aushalten müssen. Wichtig ist hier die Fehlerkultur zu leben und immer wieder Passiertes offen anzusprechen und die richtigen Learnings für alle daraus zu generieren.
Leider haben wir es nicht geschafft, alle Kollegen auf dem neuen Weg mitzunehmen. Unsere Off-Boarding-Quote ist aber sehr gering.
Thomas Bausch: Für uns überwiegen bei weitem die positiven Punkte und Erfahrungen.
Über netzwerk P:
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