„New Work needs Inner Work“
Kulturwandel im Schritt zwei
Ein „Agentur neu leben“ – Interview mit Simone Wildemann, KD.Haus
Mit dem KD.HAUS hat sich die Waldshuter Agentur Kommunikation & Design einen physischen Kreativraum geschaffen, in dem gute Ideen und Innovation entstehen. Die Verlängerung des Gedankenraums in die Wirklichkeit. Ein Ort für den Austausch von Wissen, Erfahrung und Einfällen. Wir haben mit Simone Wildemann über den Weg dorthin gesprochen, über die neue Realität nach Lockdowns & Homeoffice und warum Neues Arbeiten ohne innere Veränderung nicht funktioniert
KD.Haus Agentur Kommunikation & Design Foto& Design
Simone, was war der Auslöser für die Idee des KD.Hauses? Unsere Agentur war verteilt auf zwei Gebäudeteile. Die räumliche Trennung hatte großen Einfluss auf unsere Zusammenarbeit. Spontaner Austausch fehlte. Unsere unzureichende Kommunikation fiel uns immer häufiger auf die Füße. 2018 fingen wir an, unsere Zusammenarbeit zu verändern. Es gab ein physisches Kanban-Board, Workshops und Methoden wie Design Thinking wurden etabliert, erste Retros durchgeführt, Hierarchien abgebaut. Wir wurden gedanklich freier und offener und unsere Räume engten uns immer mehr ein. Dann brachte unsere Unternehmensgründerin ihr bisheriges Familiendomizil als Agenturheimat ins Spiel: eine denkmalgeschützte Villa von 1928 und ein quaderförmiger Neubau. Das sind die beiden Baukörper, die das neue KD.HAUS beherbergen. Alt und Neu stehen naturnah oberhalb von Waldshut, nur wenige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt.
„Unsere unzureichende Kommunikation
fiel uns immer häufiger auf die Füße“
Was waren eure Erwartungen und Ziele? Wir begriffen die neuen Räumlichkeiten als große Chance auch kulturelle und strukturelle Veränderungen anzustoßen. Zwischenzeitlich hatte ich Ausbildungen zum Systemischen Coach und zum Design Thinking Coach absolviert und fühlte mich gewappnet, den Changeprozess selbst in die Hand zu nehmen und das Team zu begleiten. Inspiriert durch das „New Workspace Playbook“ von Dark Horse starteten wir im April 2019 mit einem Kickoff in einen einjährigen Prozess, um unsere neue Arbeitsumgebung zu gestalten. Dabei hatten wir eine klare strategische Zielsetzung:„Wir schaffen eine Arbeitsumgebung, die kreatives Denken und Wirken anregt und ein Miteinander auf Augenhöhe fördert. Eine agile Haltung steht im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns und wird durch darauf abgestimmte Räume gefördert.“
Wie seid ihr ganz konkret vorgegangen, um eure neuen Arbeitsräume zu gestalten? Um zu verstehen, was wir brauchen, erforschten wir unser tägliches Tun. Alle Teammitglieder schrieben über ein paar Wochen Tagebuch: Wir dokumentierten, in welchen Arbeitssituationen wir wie oft und wie lange unterwegs sind (Stillarbeit, Meeting, Workshop, Teamarbeit, etc.) und analysierten, welchen Raum und wieviel davon (wer ist wie oft anwesend?) es dafür braucht.
Um uns Inspiration zu holen, besuchten wir Unternehmen in unserem Umfeld wie Vitra, Freitag, Sedus Stoll und on. Im Austausch mit den dortigen Mitarbeitenden bekamen wir ein immer klareres Bild davon, was wir brauchen und was nicht. An einem grossen Moodboard sammelten wir Ideen vom höhenverstellbaren Tisch, über den schallabsorbierenden Stoff, Pflanzsysteme, mobilen Stauraum und flexible Kennzeichnungslösungen. Nach jedem Zwischenschritt fand ein Workshop statt um das Gesammelte zu analysieren und zu diskutieren.
Die intensivste Diskussion entstand darüber, ob es im neuen Domizil weiterhin feste Arbeitsplätze geben soll oder nicht. Hier gingen die Meinungen weit auseinander. Gemeinschaftlich entschieden wir uns gegen feste Arbeitsplätze. Lediglich das Foto/Filmteam bekam einen eigenen Raum. Die Anforderungen an Licht und die umfangreiche Technik der Schnitt- und Retuscheplätze forderten dies.
Alle anderen Arbeitsplätze sind heute flexibel und – je nach Anforderung an das aktuelle Tun – frei wählbar.
„Nach intensiver Diskussion entschieden wir uns gemeinschaftlich gegen feste Arbeitsplätze.“
Wir erstellten ein klares Profil für jeden Raum. Wo darf telefoniert werden, wo kann Gruppenarbeit stattfinden, wo treffen wir uns zum lockeren Austausch, essen miteinander, wo ist absolute Ruhe. Die Räume bekamen Namen wie „Meet“, „Salon“, „Convent“, „The Photoshop“.
Die Ausstattung der Räume erfolgte mit dem Fokus darauf, was dort stattfinden soll und unter Berücksichtigung unseres vorhandenen Mobiliars. Wir hatten den Anspruch möglichst vieles wieder zu verwenden. Die Kombination aus Vorhandenem und bewusst neu dazu ausgewählten Stücken sowie unser selbst entwickeltes Farbkonzept und unser Gespür für Design und Architektur haben uns unsere sehr persönliche Heimat schaffen lassen.
Wie war es, als ihr endlich in euer KD.Haus eingezogen seid? Im Juni 2020 – nach dem ersten Lockdown – sind wir euphorisch um- und eingezogen. Konnten über den Sommer ankommen, den Garten genießen, die Räume mit Leben füllen. Es wurde gemeinsam gekocht, gelacht, gearbeitet.
Dann kam Lockdown 2 und wir fanden uns im Homeoffice wieder. Fotoshootings und Filmdrehs fanden quasi nicht mehr statt. Technisch hatten wir das schnell sehr gut gelöst. Dass wir schon zuvor Microsoft Teams als Kommunikations- und Kollaborationsplattform eingeführt hatten, kam uns nun zugute. Die ersten zwei Monate liefen gut. Interne Meetings fühlten sich online viel effektiver an als vor Ort, Programmierer freuten sich über störungsfreies Arbeiten. Workshops stellten wir auf remote um. Für mich als Coach ein schwerer Schritt, wo mir der persönliche Kontakt und das „Spüren der Vibes“ zentrales Anliegen waren.
Nach ersten Wochen der Euphorie, verflog die Homeoffice-Freude und wir schlugen hart auf. Die Kommunikation verschlechterte sich, Kunden beschwerten sich über mangelnde Verbindlichkeit, das Engagement einzelner lies spürbar nach. Wir kämpften uns – gesegnet mit tollen Projekten – durch die Homeoffice-Pflicht.
„Ich spürte, dass wir in unserem Prozess den Faktor Mensch zu wenig berücksichtigt hatten.“
Wie war das Gefühl nach dem zweiten Lockdown? Endlich! Alle dürfen zurück in die Agentur! Doch nichts war wie vorher. Das „Neue Arbeiten“ in unseren neu definierten Strukturen funktionierte nicht wirklich. Zum einen hatten wir durch die lange Homeoffice-Zeit an Teamspirit eingebüsst und mussten uns erst wieder aneinander gewöhnen.Die Zeit zuhause hatten wir sehr unterschiedlich erlebt und sie hat uns unterschiedlich geprägt. Die einen kämpften an vielen Fronten gleichzeitig (Homeoffice, Homeschooling, immer wieder Quarantäne) waren erschöpft und sehnten sich nach Ruhe. Andere vereinsamten als Single zuhause alleine in ihren 4 Wänden und hatten Langeweile. Ich spürte, dass wir in unserem Prozess den Faktor Mensch zu wenig berücksichtigt hatten.
Mit der Erkenntnis „New Work needs Inner Work“ von Joanna Breidenbach starteten wir erst jetzt in den Kulturwandel.Einzelcoachings, Teamworkshops, Retros, Feedbackgespräche standen und stehen nach wie vor auf der Agenda. Aktuell erarbeiten wir Stärken, Schwächen und Potenzial jedes Einzelnen sehr detailliert und leiten daraus ein Rollenmodell ab. Der Sinn und Zweck unseres Handelns als Unternehmen und jedes Einzelnen mit seinen ganz persönlichen Bedürfnissen und Träumen stehen hier im Mittelpunkt.
DasAgenturCamp 34OST Zukunft. Zusammen. Machen.
Wie ist aktuell eure neue Normalität? Heute arbeiten wir wieder vorwiegend vor Ort – mit einem flexibel gestaltbaren Anteil Homeoffice. Unser Team hat sich auf 18 Köpfe verkleinert. Azubis und Studenten zogen weiter und einige wenige Mitarbeitende haben wir mit dem Kulturwandel verloren. Gewonnen haben wir Nähe zueinander. Räumlich haben wir Platz. Diesen Raum bieten wir nun auch als Coworking-Place und Eventlocation an – und sind überrascht vom Zuspruch. Wir genießen es, neue Menschen kennenzulernen, spannenden Austausch zu erleben und Leben im Haus zu spüren. Unser KD.Haus ist heute Unternehmenssitz, Inkubator, Beratungszentrum, Coworking-Space und Raum, um die Zukunft zu gestalten. Hier wird gelebt, gelernt, gearbeitet, gefeiert